Halbwarmumformung Edelstahl
Einleitung
Die Prozessgestaltung zur Umformung von Feinblechen aus Edelstahl ist eine herausfordernde Aufgabe, da die Auswahl eines geeigneten Umformprozesses oft auf der Basis von Kennwerten wie einachsigen Zugversuch, Gefügeart und chemischer Zusammensetzung eingeschränkt ist.
Bei mechanischer Belastung können bei austenitischen, nicht rostenden Werkstoffen mit Nickelgehalten < 11 % Umwandlungen von Austenit in Martensit auftreten, die die mechanischen Eigenschaften weiter verändern können. Untersuchungen haben gezeigt, dass diese Martensitumwandlung insbesondere durch Verfahrensparameter wie Temperatur, Spannungszustand und Umformgeschwindigkeit beeinflusst wird.34227071
Ausgangspunkt für den hier beschriebenen Versuch war eine Kundenanfrage: Bei einem Edelstahltopf erschwerten entstehende Eigenspannungen die Randumformung. Dies nahmen wir zum Anlass, zwei Edelstahlvarianten in Bezug auf das Ziehverfahren zu untersuchen, um durch Beeinflussung der Verfahrensparameter die entstehenden Eigenspannungen zu minimieren.
Nr. | Bezeichnung | Rp0,2 | Rm | A5 |
---|---|---|---|---|
1.4571 | X6CrNiMoTi17-12-2 | 215 | 500-730 | 50 |
1.4539 | X1NiCrMoCuN25-20-5 | 220 | 520 - 720 | 40 |
Aufgabenstellung
Im Rahmen dieses Projekts untersuchten wir zwei Edelstahlvarianten (Tabelle), beide Vertreter der austenitischen Edelstähle. Der Edelstahl 1.4539 zeichnet sich durch erhöhten Nickel- und Molybdängehalt aus, was zu einer erhöhten Beständigkeit gegen Spannungsrisskorrosion sowie einer verbesserten Lochfrassbeständigkeit führt. Unser Ziel war es, diese beiden Edelstähle tiefzuziehen und insbesondere den Verfahrensparameter Temperatur zu verändern, um die entstehenden Eigenspannungen zu reduzieren.
Versuchsdurchführung
Die Umformaufgabe bestand aus einem einstufigen Tiefziehvorgang. Hierfür stand eine Vierfachwirkende hydraulische Presse der Marke 4Ming zur Verfügung. Für den Versuch wurden zwei der vier Kraftwirkungen abgeschaltet. Bezüglich der Minimierung der Martensitbildung ist die optimale Umformtemperatur mit 80 °C hinreichend beschrieben.22 Zunächst wurden Ziehversuche bei Raumtemperatur (ca. 25 °C) durchgeführt. Danach wurden sowohl das Tiefziehwerkzeug als auch das Rondenmaterial auf die Zieltemperatur von 80 °C gebracht. Um ein zu schnelles Abkühlen zu verhindern, wurden die aktiven Teile mit Dämmplatten hinterlegt. Parallel dazu wurden die Platinen in einem Ölbad auf die Zieltemperatur erhitzt.
Parallel hierzu wurden die Platinen in einem Ölbad auf die Zieltemperatur gebracht. Als Schmiermittel kam ein gängiger Schmierstoff für die Edelstahlumformung (Hersteller Avia) zum Einsatz.
Der Werkstoff für das Werkzeug war 1.2379, beschichtet mit einer Plasmagasnitrierschicht. Um der Randaufdickung und der damit verbundenen Faltenbildung im Innenbereich des Flansches während des Ziehvorgangs entgegenzuwirken, wurde der Einlaufspalt auf der Blechhalterseite um 1/10 konisch gestaltet.
Parameter | Bezeichner | Wert | Einheit |
---|---|---|---|
Rondendurchmesser | D0 | 300 | mm |
Enddurchmesser | d1 | 160 | mm |
Ziehverhältnis | β | 1,88 | |
Blechdicke | s0 | 1 | mm |
Ziehgeschwindigkeit 1 | vZ 1 | 30 | mm/sek. |
Ziehgeschwindigkeit 2 | vZ 2 | 100 | mm/sek. |
Platinentemperatur 1 | t1 | 25 | °C |
Platinentemperatur 2 | t2 | 80 | °C |
Ergebnisse 1.4539
Nach Erreichen der Zieltemperatur von 80 °C für den Blechhalter, die Matrize und die Platinen begannen wir mit den halbwarmen Ziehversuchen. Bedingt durch die Viskositätsänderung entstand bereits nach dem ersten Ziehvorgang eine ausgeprägte Riefenbildung. Um diesem Versagensfall in Zukunft entgegenzuwirken, sollte ein höherviskoses Öl eingesetzt werden.
Der Fähnchensägetest lieferte qualitative Aussagen über die verbleibenden Restspannungen. Die nachfolgende Abbildung zeigt den hochlegierten 1.4539 links bei Raumtemperatur und rechts bei 80 °C umgeformt. Die verbleibenden Restspannungen bei beiden Töpfen sind nahezu identisch.
Ergebnisse 1.4571
Beim Edelstahl 1.4571 ist eine deutliche Reduktion der Eigenspannungen bei der Halbwarmumformung im Sägetest erkennbar. Nach der Halbwarmumformung war die Magnetisierung bei diesem Edelstahl nicht mehr feststellbar.
Fazit
Im direkten Vergleich der beiden Edelstähle zeigen die Tests, dass bei Raumtemperatur ähnliche Eigenspannungen auftreten, während die halbwarm umgeformten Töpfe eine deutliche Verringerung der Restspannungen beim 1.4571 aufweisen.
Die Reduktion von Eigenspannungen bei metastabilen austenitischen Edelstählen durch Erwärmung des Werkzeugs und der Platine ist signifikant. Zukünftig muss bei ähnlichen Aufgabenstellungen der Einsatz von Wärmequellen im Werkzeug bedacht werden. Insbesondere bei der Mehrfachumformung von Rechteckteilen bietet die gezielte Erwärmung ein Potenzial, um zu höheren Umformgraden zu gelangen.